Indian Summer im Jacques-Cartier Nationalpark

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Der Jacques-Cartier Nationalpark gehört schon seit dem Sommer zu unseren Lieblingsparks, als wir ihn auf dem Rückweg von Halifax besucht hatten. Rund dreieinhalb Autostunden nordöstlich von Montreal liegt er, nicht weit von Ville de Québec entfernt, und die tiefen bewaldeten Canyons waren schon im sommerlichen Regenwetter so beeindruckend, dass wir uns eine Rückkehr im Indian Summer des kanadischen Herbstes fest vorgenommen hatten.

Wann sich denn das Laub verfärbe und ob dazu auch mal gerne die Sonne scheine, hatte Michael die Rangerin im Centre d’ Accueil des Nationalparks gefragt. Und auch wenn diese sich beim Sonnenschein lieber nicht so weit aus dem Fenster lehnen wollte, meinte sie, doch, die Laubverfärbung sei schon eine sichere Bank, und üblicher Weise erreiche sie Ende September ihren Höhepunkt.

Also noch mal hin? Katharina findet das prima, hatte sie doch im Sommer auf dem Wanderweg “Les Loups” ein wildes Streifenhörnchen durch raffiniertes mit der Zunge schnalzen und so tun, als ob man Futter in der Hand habe, so gekonnt angelockt, dass es an ihrer Hand nüsselte.

“Du immer mit deinen Streifenhörnchen”, meldet sich Felix, “das nervt total.”

Aber Katharina ficht das nicht an. “Ich habe es Thekla genannt”, sagt sie mit verklärtem Blick, “und wisst ihr was? Thekla wartet im Park schon auf mich.”

Auch Felix ist Feuer und Flamme. Zwar nicht für diese Thekla, aber den Nationalpark findet er klasse, denn im Sommer hatte er da richtig coole Tiere gesehen, nämlich einen Elch spät abends am Bach, als er sich dort die Zähne geputzt hatte. Da will er wieder hin, am besten auf denselben “Zeltplatz”, das Wildnis-Camp ohne Waschräume, wo man im Fluss baden und sich am Bach die Zähne putzen durfte. Franziska schließlich findet zelten sowieso gut, vor allem, wenn sie mit Mechthild in ein Zelt darf. Im Frauenzelt scheint sie irgendwie weniger Stress zu haben als in einem Zelt mit ihren Geschwistern.

Und so buchen Mechthild und Michael ein zweites Wochenende im Jacques-Cartier Park, wenn auch nicht das von Felix gewünschte Wildniscamp. Zugegeben, waschen am Bach hat was, aber ein Klo mit Wasserspülung – so etwas gibt’s im Wildniscamp leider nicht – ist eben auch ganz nett. Dafür nehmen sie auf Felix’ dringendsten Wunsch Rücksicht: Losgefahren wird am Freitagabend erst nach dem Basketballtraining. Denn das Training ist wichtig. Felix spielt in der Schulauswahl, und die Konkurrenz ist groß um einen Platz in der Startaufstellung beim ersten Turnier in Trois-Rivières Ende Oktober.

Nachts ein Zelt aufzubauen ist übrigens ein echtes Erlebnis.

    “Wo hast du denn die Häringe hingelegt?”

    “Sag mir erst, wo meine Taschenlampe ist.”

    “Nur, wenn du mir beim Schuhesuchen hilfst.”

Aber irgendwann stehen die beiden Zelte dann doch, und fünf müde Heinzelmanns verkriechen sich in die Schlafsäcke.

Den nächsten Morgen beginnt Michael mit einem Spaziergang. Beim Zelten macht er das immer gerne, denn früh morgens ist alles noch so schön ruhig. Zwar sehr kalt, das kann man nicht leugnen, aber er mag es, wenn die Sonne langsam rauskommt und noch ein bisschen Nebel über dem Fluss liegt – eine schöne Tageszeit. Diesmal überrascht er beim Morgenspaziergang sogar einen Fuchs, der den Zeltplatz auf der Suche nach Essbarem durchstreift.

So nach und nach stehen auch die anderen auf, vorzugsweise wenn der Frühstückstisch schon gedeckt ist. Zuerst Felix, der den Fuchs auch noch mitbekommen möchte, dann Mechthild, die meint, Michael könne jetzt ein bisschen Gesellschaft brauchen, schließlich Katharina, nachdem sie sich mit Uni (von Unicorn), ihrem Lieblingskuscheltier wachgekuschelt hat, und dann ……. ja dann warten alle auf Franziska. Franziska mag es beim Aufstehen nämlich gerne gemütlich, und das ist es eigentlich nur in ihrem Schlafsack, dem sie dementsprechend spät und erst nach intensivem Drängen der restlichen Familie und wenn es gar nicht mehr anders geht entsteigt.

Irgendwann steht dann auch Franziska auf, und das ist gut, denn für den Samstag haben diese Heinzelmanns ein Raft für eine Schlauchbootfahrt auf dem Rivière du Jacques-Cartier gemietet. Wenn das man gut geht, alle fünf in einem Boot. Nach kurzer Einweisung durch die Rangerin geht’s auf den Fluss. Und es zeigt sich gleich, dass so ein Raft ein klasse Gefährt für flott fließende Gewässer ist. Angenehm stabil liegt es im Wasser, auch in Stromschnellen kann man damit praktisch nicht kentern. Und wenn man mal nicht so gerne paddeln möchte, sondern lieber den Indian Summer genießt, kommt man dank der Strömung trotzdem gut voran, Hauptsache Michael steuert das Boot immer schön um die Felsen im Fluss herum. Das gelingt ihm manchmal besser, manchmal schlechter, und manchmal auch gar nicht, weil er nämlich seine unbeobachtete Position ganz hinten im Boot immer wieder schamlos ausnutzt um zu fotografieren statt zu steuern. Dann setzt das Raft leider gerne auf einen dieser dicht unter der Wasseroberfläche liegenden Felsen auf, und alle drehen sich zu Michael um.

“Papa, hast du wieder geträumt, … oder fotografiert, ... oder irgendwas Anderes gemacht als zu lenken?”, stellt ihn Katharina zur Rede.

“Oooooch, weiß nicht mehr”, sagt Michael, während er schnell seine Kamera in der Fototasche verstaut, denn durch kräftiges Ruckeln muss man jetzt den Kahn wieder flott kriegen, und dabei soll sein Fotoapparat nicht nass werden. Und dann ruckeln und schaukeln alle hin und her, und dabei wird der Kahn meistens wieder flott, außer er wird es nicht, dann muss halt einer ins Wasser springen um das Raft vom Felsen zu ziehen. Das machen meistens die Kinder, weil die am liebsten im Fluss baden, oder, falls es mit ihrer Lust nicht so weit her ist, Michael, weil’s der verbockt hat.

Am Abend brät Felix Burger auf dem Lagerfeuer-Grill. Das volle Programm: lecker Frikadelle mit Spiegelei, Bacon, Käse, Gurke und Tomate, denn nach einem anstrengenden Tag auf dem Wasser braucht man was Anständiges zu essen. Außerdem steht am nächsten Tag die Wanderung “Les Loups” zu den beiden Aussichtspunkten am Canyonrand an. Katharina freut sich schon auf Thekla. Und tatsächlich, keine fünf Minuten im Wald raschelt es schon im Laub – ein Streifenhörnchen. Und nach ein paar hundert Metern wieder, und immer wieder …

“Heute sind aber viele Streifenhörnchen im Wald”, meint Franziska.

“Überhaupt nicht”, sagt Katharina, “das ist alles meine Thekla. Die mag mich und geht immer mit uns mit.”

Aber an Katharinas Hand kommt Thekla diesmal nicht. Dergleichen gelingt Katharina erst oben am zweiten Aussichtspunkt mit den Meisenhähern. Die kecken Vögel, die ein bisschen kleiner als europäische Eichelhäher aber viel weniger scheu sind, wissen genau, wo es sich am bequemsten essen lässt: Da, wo die Touristen sind. Und dass Katharinas Hand, die ihre Stulle nur zu gerne mit den Hähern teilt, der beste Futterplatz ist, kriegen sie auch flott raus.

Der Indian Summer – “Zum letzten Mal, Papa”, unterbricht ihn Franziska, “bei uns heißt das Été Indien!” – also gut, der Été Indien hat gehalten, was man sich von ihm verspricht, doch ein bisschen spät geworden bei es so vielen zutraulichen Vögeln und spektakulären Ausblicken. Für einen kurzen Stopp bei den Parkrangern reicht jedenfalls noch die Zeit. Ob er denn einen Tipp für einen anderen Nationalpark am nächsten Wochenende geben könne, wo sich das Laub auch eindrucksvoll verfärbt und die Sonne gerne scheint, fragt Michael schnell noch den Ranger. Mit dem Wetter wisse man natürlich nie, meint dieser. Aber die Cantons de l’Est hingen mit der Laubverfärbung eigentlich immer eine Woche hinter seinem Park her. Und im Parc National du Mont Orford soll es immer am farbenprächtigsten sein. Obwohl natürlich kein anderer Park ernsthaft mit “seinem” Canyon mitkommen könnte.

Hört sich ganz so an, als ob man das mal überprüfen sollte.

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