Herbstcamping im Parc National du Mont Orford

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Da hat er uns aber ganz schön den Mund wässrig gemacht, der Ranger im Parc National de la Jacques Cartier, als er uns von der Laubverfärbung in den Cantons de l’Est erzählte, die in etwa einer Woche dran sei und eher rot als gelb ausfalle, wie das im Jacques-Cartier Park war. Da müssen wir hin, bestand im Auto schnell Einigkeit, zumal die Zeit günstig ist, denn noch haben weder bei Franziska oder Katharina die Fußballsaison, noch bei Felix die Basketballsaison begonnen, die ab Ende Oktober für viel Programm an den Wochenenden sorgen werden. Alles klar also für ein kurz entschlossenes Campingwochenende im Parc National du Mont Orford.

Nur die Campingausrüstung muss vorher noch ein bisschen aufgestockt werden, denn beim letzten Herbstcamping war’s, worauf insbesondere Mechthild gerne und noch Tage später mit verfrorenem Blick hinweist, doch recht kalt. „Was hast du denn erwartet?“, erklärt ihr Franziska die Sache, „Ahornbäume verfärben sich nun mal erst nach den ersten Nachtfrösten rot, und warme Nachtfröste, die kriegt man nur ganz schwer hin.“ Überzeugend. Aber zum Glück kann man sich gegen kaltes Wetter wappnen, und so zieht Mechthild los. Bei Jean Coutu kauft sie für alle Fälle zwei flauschige Fleecedecken. Und natürlich braucht sie auch irgendwas für behagliche Wärme von innen. Vielleicht mal was Alkoholfreies, denkt sich Mechthild und macht sich auf die Suche nach Kakaopulver für heiße Schokolade, am besten ganz dunkler Kakao, wie man ihn in Rheinbach in Hit und Rewe kriegt. Aber Montreal ist nicht Rheinbach: Weder im Metro, dem Supermarkt ohne Parkplatz – dass es so was in Nordamerika geben darf – in der Avenue du Mont Royal, noch bei Valmont, dem Feinkosthändler gleich daneben, und auch nicht bei Loblaws, dem Riesensupermarkt im Nachbarstadtviertel wird sie fündig. Erst im Obst- und Gemüseladen gleich um die Ecke hat sie Erfolg: echter Kakao aus Holland. Und eine gute Idee ist ihr auch gekommen. Ob Michael, der beim Camping doch sowieso gerne früh aufsteht, nicht den anderen bei dieser Gelegenheit aus den Federn helfen könne, indem er schon mal eine heiße Schokolade für alle macht. „Super Idee!“, finden die Kinder in seltener Einigkeit. Nur Michael weiß nicht so genau, irgendwas von grummel, grummel gibt er von sich, weil ihm nichts anderes einfällt, aber schließlich willigt er ein. Immerhin darf er schon mal seine neue Hängematte mitnehmen, die es eigentlich erst zum Geburtstag geben sollte. „Zum Ausruhen von den Strapazen des Schokolade Kochens“, wie Mechthild schmunzelnd anmerkt.

Am Freitagabend geht’s dann los zum Mont Orford. Der nächtliche Zeltaufbau im Dunkeln geht schon ein wenig leichter von der Hand als ein Wochenende zuvor, wenn auch immer noch chaotisch. Aber immerhin, weil der Mont Orford nur ein gutes Stündchen von Montreal entfernt liegt, bleibt nach dem Zeltaufbau noch genügend Zeit für ein kuscheliges Lagerfeuer. Auf diesem macht Katharina French Toast, ihr Lieblingsrezept von ihrer Freundin Erica aus Halifax. Zwei Scheiben Toastbrot bestreicht man beidseitig mit Margarine, legt reichlich Käse dazwischen, und dann kommt das Ganze in die Grillschale auf dem Lagerfeuer, in welchem man am besten kräftig mit einem langen Stock rumstochert.

„Fandest du die French Toasts gut?“, fragt sie Michael, als sich der nach seinem zweiten Toast zufrieden und träge auf seinem Campingstuhl zurücklehnt.

„Du, die waren superspitzenklasse“, antwortet Michael, und das waren sie auch wirklich.

„Dann hab ich jetzt einen bei dir gut?“, fragt Katharina weiter, um nach Michaels unsicherer Antwort „Jaah??“, sogleich mit „Du hast ja gesagt!“ zu triumphieren.

Mist, denkt sich Michael, aber Katharina will gar nicht viel von ihm. „Du musst mir nur die Hängematte aufbauen“, sagt sie, „dann schlafe ich heute Nacht dadrin und nicht im Zelt.“

Und während Michael im Dunkeln zwei geeignete Bäume für die Hängematte aussucht, macht sich Katharina schon mal fertig für die Hängematte. Wollmütze und Wollhandschuhe zieht sie sich an, und dann legt sie erst eine der Fleecedecken in die Hängematte und darauf ihren Schlafsack, denn wenn man im kanadischen Herbst unter freiem Himmel schläft, packt man sich besser schön warm ein.

Als Michael den nächsten Morgen zu einem Frühspaziergang zum Lac Stukely nutzt, schläft Katharina noch tief und fest in der Hängematte hinter den Zelten. Und der Ranger vom Jacques-Cartier Park hatte recht gehabt: Kräftig rot haben sich die Bäume verfärbt, und in der Windstille des frühen Morgens spiegeln sie sich im glatten Wasser des Sees. Michael fotografiert ein bisschen, guckt dann in Ruhe den beiden Eistauchern zu, die gemächlich über den See schwimmen und macht sich schließlich wieder auf zurück zu Zelten und Hängematte, denn da war ja noch die Sache mit der heißen Schokolade. Und Überraschung: Beim Campen heiße Schokolade zu machen ist gar nicht so schlimm, denn das Kochen ist ja nur der kleinere Teil. Die eigentliche Aufgabe ist Lagerfeuer machen, und Lagerfeuer machen macht Spaß.

Nach dem Frühstück dann die Wanderung auf den Mont Chauve. „Mont Chauve?“, meint Franziska, „Das kann ja nur Papas Idee gewesen sein. Gleich und gleich gesellt sich gern.“ Sehr witzig, denkt sich Michael, warum muss Mont Chauve auf Deutsch auch kahler Berg heißen. Aber die Wanderung lohnt sich. Vom Gipfel des Mont Chauve hat man einen grandiosen, weil nicht durch Bäume eingeschränkten Rundumblick auf den sich bis zum Horizont erstreckenden herbstlichen Wald.

Zum Frühstück am Sonntagmorgen grillt Felix Schokobananen gegen die morgendliche Kälte. Danach geht’s zum Ausklang des Wochenendes Kanu fahren auf den Lac Stukely. Beim Kanuverleih reimt sich Michael auf Französisch die Bestellung zusammen, dann wird’s wie immer spannend: Antwortet der Mann am Schalter auf Französisch oder lieber doch auf Englisch. Und …………. französisch. Michael freut sich, er fühlt sich sprachlich akzeptiert, der Tag ist gerettet. Aber das wäre er natürlich sowieso. Denn auf dem Lac Stukely zu paddeln ist ein Erlebnis. Der Wald ist vom Wasser aus nicht minder eindrucksvoll als vom Berg, und warm genug eingepackt ist es im Kanu richtig schön gemütlich. Katharina und Felix, die das Fernglas mitgenommen haben, haben Glück und können eine ganze Weile lang einen Eisvogel beobachten, wie er am Ufer nach Fischen jagt.

„Und was machen wir nächstes Wochenende?“, fragt Katharina auf der Rückfahrt nach Montreal gespannt. „Wieder Hängemattencamping?“

„Weiß nicht“, meint Mechthild, „in den Bergen sind die Blätter bald alle ab, und ein bisschen kühler werden soll es auch. Aber dafür kommt der Indian Summer bald nach Montreal. Vielleicht bleiben wir einfach mal ein Wochenende zu Hause.“

„Dann geh‘ ich bouldern“, sagt Franziska sofort.

„Und wir haben im Basketball Saisonauftakt“, fügt Felix hinzu.

„Und ich verabrede mich mit meinen Freundinnen Pia, Maria und Antoinette“, sagt Katharina.

Sieht ganz so aus, als ob es auch zu Hause interessant bleiben wird.

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